Lawfare: Katalonien vs. Spanien in der belgischen Gerichtsbarkeit


Pressemitteilung des ANC Brussels vom 4. September 2018

Lawfare: Katalonien vs. Spanien in der belgischen Gerichtsbarkeit


Präsident Puigdemont und die katalanischen Minister im belgischen Exil verklagen den Richter, der die Voruntersuchung wegen Rebellion gegen sie in Spanien führt.

Hier stellen wir kurz die Akteure und die Besonderheiten dieser Zivilklage vor.


Der Angeklagte
Richter Pablo Llarena ist ein Richter der zweiten Kammer des Obersten Gerichtshofs Spaniens, der die Voruntersuchung wegen Rebellion gegen katalanische Unabhängigkeitsaktivisten und Politiker führt, die das Referendum am 1. Oktober organisiert haben. Viele spanische Juristen haben Zweifel bzgl. der Korrektheit und Unbefangenheit seiner Prozessführung und haben schwerwiegende Unregelmäßigkeiten im Verfahren festgestellt, wie Verletzungen der Rechte der Angeklagten, eine fragwürdige Auslegung des Strafgesetzbuches, um das Verfahren unter der äußerst schweren Anklagen von Rebellion und Aufruhr (die Gefängnisstrafen zwischen 30 und 15 Jahren bedeuten können) zuzulassen und die missbräuchliche Nutzung der Untersuchungshaft, um die Amtseinsetzung von drei Kandidaten zum Präsidenten der Generalitat zu verhindern, die vom katalanischen Parlamentspräsidenten demokratisch ernannt worden sind. Damit wurden die politischen Rechte der Angeklagten und aller Bürger Kataloniens verletzt. Seine Beschlüsse zeichnen sich durch eine sehr emotionale Prosa aus, die nicht nur auf eine offensichtliche, extrem konservative politische Ideologie hindeutet, sondern auch beweist, dass er sich selbst als Opfer der zu urteilenden Tatsachen sieht. Dies stellt seine Unbefangenheit als Richter in Frage.

von links nach rechts: Toni Comín, Christophe Marchand, Gonzalo Boye und Lluís Puig
Die Kläger
Die katalanischen Politiker, die sich im belgischen Exil befinden, haben eine Zivilklage in Belgien gegen Richter Llarena wegen seiner Äußerungen eingereicht, welche sich auf den Fall gegen die katalanischen Aktivisten und Politiker beziehen, die er außerhalb seiner richterlichen Funktion auf einer Konferenz einer privaten Gesellschaft gemacht hat.

In seinen privaten Äußerungen verletzte er die Unschuldsvermutung der Angeklagten, indem er das Argument der Verteidigung zurückwies, dass ihre Mandanten politisch Verfolgte seien.

Aufgrund der Befangenheit des Richters befürchten die Kläger ein ungerechtes Gerichtsverfahren. Darüber hinaus besagt die aktuelle spanische Gesetzgebung, dass ein Richter sofort aus dem Fall entfernt werden muss, wenn gegen ihn eine Zivilklage anhängig ist, welche die Angeklagten betrifft

Ein weiterer widersprüchlicher Mitspieler: Spanien
Richter Llarena führt an, dass diese Klage nicht gegen ihn als individuelles Rechtssubjekt gerichtet ist, sondern dass sie die gerichtliche Unabhängigkeit des gesamten spanischen Staates in Frage stellt. Daher hat er den Schutz des Generalrats der Judikative Spaniens beantragt und dieser hat seinerseits den spanischen Staat aufgefordert, den Richter uneingeschränkt zu verteidigen

Erstes Problem: Die Schutzforderung des Richters ging mit zwei monatiger Fristversäumung ein.

Zweites Problem: Eine Richterin des Generalrates der Judikative lehnt diesen Schutz vehement ab.

Drittes Problem: Die Anklage wirft dem Richter in keinem Moment Tatsachen oder Anweisungen in Zusammenhang mit dem Voruntersuchungsverfahren vor

Viertes Problem: Die Regierung Spaniens hat sich anfänglich dagegen angesprochen, den Richter für seine Verteidigung finanziell zu unterstützen.

Fünftes Problem: Drei Tage später ändert die spanische Regierung ihre Entscheidung und wird die Indiskretion bzw. das Fehlverhalten des Richters uneingeschränkt mit öffentlichen Geldern verteidigen. Gemäß der Pressemitteilung der Spanischen Regierung vom 30. August 2018 wird diese Veruntreuung öffentlicher Gelder Spanien 544.982 Euro kosten.

Bereits im Juli versuchte der spanische Außenminister Josep Borrell ohne Erfolg, die belgische Regierung unter Druck zu setzen, um das Vorgehen des für die Klage zuständigen belgischen Gerichts zu beeinflussen

Fazit
Die unbeholfene Einmischung des spanischen Staates in einer Zivilklage zwischen Einzelpersonen offenbart wiederum die sehr ernsthaften demokratischen Probleme Spaniens:

Wir stehen vor einer politischen Verfolgung der Unabhängigkeitsbewegung, somit sind die inhaftierten katalanischen Aktivisten und Politiker politische Gefangene und haben keine Aussicht auf ein gerechtes Verfahren.

In Spanien gibt es keine Gewaltenteilung und die Justiz ist vollkommen politisiert

In der Tat werden die höchstinstanzlichen Richter Spaniens direkt vom Abgeordnetenkongress gewählt und zwar aufgrund ihrer politischen Ausrichtung und nicht aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz.

In dieser Hinsicht gibt es keinen Unterschied zwischen der Politik der ehemaligen Regierung der PP Mariano Rajoys und der Politik der jetzigen PSOE Regierung unter der Führung von Pedro Sánchez: Die gerichtliche Verfolgung der katalanischen republikanischen Bewegung wird mit der Unterstützung aller Staatsapparate fortgesetzt.

Einmal mehr bitten wir Europa um Unterstützung für die Überwindung der Ungerechtigkeit und Repression, der wir Katalanen seit dem Eingreifen der katalanischen Institutionen am 20. September 2017 ausgesetzt sind, nur weil wir unser Selbstbestimmungsrecht ausüben wollen.


ANC Brüssel
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Weitere aktuelle Infos über Katalonien:
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Dokumentarfilme mit Untertiteln in mehreren Sprachen:
La Directa: “Der erste Tag im Oktober”
Mediapro: “20-S", "1-O”
Telesur: “Relato de lo inexistente” (Bericht des Inexistenten)



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