Offener Brief an das Generalkonsulat in Barcelona und die Botschaft in Madrid

Deutsche, die in Katalonien leben, habe sich zusammengetan und einen offenen Brief an den Generalkonsul Peter Rondorf in Barcelona und den Botschafter Peter Tempel in Madrid verfasst. Dieser offene Brief wurde am 10. März 2018 per Post versendet. Hier findest du die Veröffentlichung des Briefes.



Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland        Botschaft der Bundesrepublik Deutschland
Zu Händen Herrn Generalkonsul Peter Rondorf             Zu Händen Herrn Botschafter Peter Tempel
Torre Mapfre                                                                                   Calle Fortuny, 8
Carrer de la Marina, 16-18, 30a                                               28010 Madrid
08005 Barcelona




Betreff:  OFFENER BRIEF                                                                          Barcelona, 10. April 2018



Sehr geehrter Herr Generalkonsul Peter Rondorf, sehr geehrter Herr Botschafter Peter Tempel,

wir richten uns an Sie, als Vertreter der in Katalonien lebenden Deutschen, aufgrund der aktuellen politischen Situation, mit einem Anliegen, das uns alle betrifft.

Wir alle sind in einem Land aufgewachsen, das aus seiner Vergangenheit gelernt hat, daran gewachsen ist und in dem heute ein ausgeprägtes Demokratiebewusstsein existiert.
Demokratie ist die Voraussetzung für die Einhaltung der Grundrechte jedes einzelnen Bürgers, wie der freien Meinungsäußerung oder der politischen Ideologie. Diese werden seitens der spanischen Zentralregierung nicht garantiert und Spanien ist weit davon entfernt, sich an die gesamteuropäischen demokratischen Gedanken und Regeln zu halten.

Auch das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist ein Menschenrecht, wieso sollte Katalonien kein Recht auf nationale Selbstbestimmung haben? Wenn den Bürgern ihre Entscheidungsfreiheit genommen wird, befinden wir uns auf dem Weg zurück zu einem autoritären Regime. Soll das Wiederaufleben der alten Imperien auf Kosten der Grundrechte der demokratische Fortschritt des 21. Jahrtausends sein?

Abgeordnete des katalanischen Parlaments, die in freien Wahlen bestimmt wurden, sind unter abstrus herbeigeführten und undemokratischen Gründen ihrer Ämter enthoben, wegen „Ungehorsams“ angeklagt und verhaftet worden und sitzen seit Monaten ohne Urteil im Gefängnis. Andere wurden ins Exil gezwungen und werden mit europäischem Haftbefehl gesucht. Im Grunde jedoch werden nicht die Politiker angeklagt, sondern die Überzeugungen ihrer Wähler. Es wird versucht, den Gehorsam der Bürgerinnen und Bürger zu erzwingen. Uns als Demokraten ist an diesem Punkt klar, dass ein Staat, der den Gehorsam seiner Bürger mit Gewalt erzwingen muss, seine demokratische Legitimität verloren hat.
Deutschland wurde in dieses Legitimationsdefizit der spanischen Regierung und Justiz gegenüber den Katalanen mit hineingezogen und kann sich nicht mehr heraushalten. Jetzt ist die Politik gefordert, um europäische Werte zu verteidigen und zu garantieren

Die Aussage des deutschen Regierungssprechers, Spanien sei ein vollwertiger Rechtsstaat, war gefährlich und falsch. Denn es ist ein Land, in dem Militärpolizisten mit “Macht sie fertig”-Rufen auf friedliche Wähler gehetzt werden. Ein Land, in dem mit öffentlichen Geldern Stiftungen zu Gunsten des Diktators Francisco Franco unterstützt werden, ein Land das per Gesetz alle Verbrecher des Franquismus auf einen Schlag freisprach und seitdem sämtliche internationalen Haftbefehle abwehrte. Spanien beschützte deutsche Kriegsverbrecher und hat nie bei deren Haftbefehlen mitgearbeitet. Ein Land, in dem Andersdenkende als Krankheit bezeichnet werden. Ein Land in dem Carles Puigdemont öffentlich gedroht wird, er würde enden wie der Präsident Luis Companys, der hingerichtet wurde. Ein Land, in dem hingegen jene angeklagt werden, die zu Pazifismus aufrufen und sich für gewaltfreie Demonstrationen einsetzen. Amnesty International, die UNO und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte haben auf den gefährlichen Rückgang der Demokratie in Spanien hingewiesen.
An ein solches Land, in dem Carles Puigdemont sicher keinen fairen Prozess nach europäisch-demokratischen Richtlinien erwarten kann, darf nicht ausgeliefert werden.

Internationale Beobachter bestätigen, dass Carles Puigdemont wegen seiner politischen Überzeu-gungen verfolgt wird. Spanien verletzt zentrale demokratische Regeln und Menschenrechte und die Bundesregierung darf dieses Vorgehen nicht unterstützen. Jeder europäische Haftbefehl unterliegt Erwägungsgründen. Der Rahmenbeschluss über Europäische Haftbefehle schreibt laut Art.1 Abs.12 ausdrücklich vor, dass Staaten die Auslieferung von Personen verweigern müssen, „wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Haftbefehl zum Zwecke der Verfolgung oder Bestrafung einer Person aus Gründen [...] ihrer [...] politischen Überzeugung [...] erlassen wurde [...].“

Der Konflikt zwischen Katalonien und Madrid ist seit jeher ein politischer und die spanische Regierung hat die Unzufriedenheit der Katalanen mit dem Beschneiden und Verfälschen ihres 2006 verabschiedeten neuen Autonomiestatuts maßgeblich provoziert.
Zudem hat Mariano Rajoy sein Wort gebrochen, den Artikel 155 nach den Wahlen wieder aufzuheben, offensichtlich, weil ihm das Wahlergebnis nicht zufrieden stellte. Die Zentralregierung hat zum Beispiel noch immer die Kontrolle über die katalanische Lokalpolizei, was zu einem radikalen Wandel im Umgang mit Demonstranten führte und dass das Vertrauen der Bürger in die eigene Polizei zerstört hat. Dieses autoritäre Gebaren der spanischen Regierung ist einer Demokratie unwürdig und wird den Konflikt nur weiter anheizen.

Spanien ist de facto kein vollwertiger „demokratischer Rechtsstaat“ mehr und Deutschland darf diese besorgniserregende Entwicklung nicht tolerieren und erst recht nicht unterstützen. Es würde zum Helfershelfer der Beseitigung der repräsentativen Demokratie in Spanien werden.

Wir Deutschen wissen aus der Geschichte, wie leicht ein Rechtsstaat zum Unrechtsstaat werden kann und es ist Zeit, die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Spanien wieder herzustellen. Deutschland hat jetzt einen ersten wichtigen Schritt getan, um dabei zu helfen. Nun sollte Deutschland weiter mit gutem Beispiel vorangehen und als erster europäischer Staat die Katalanische Republik anerkennen.

Frau Merkel und andere deutsche Politiker haben der spanischen Regierung mehrfach zu Dialog und politischer Lösung des Konflikts geraten, doch die spanische Regierung verweigert dies weiterhin konsequent. Wir wenden uns an Sie, um sich prominent und privilegiert öffentlich für demokratische Lösungen und Verhandlungen einzusetzen, denn als Repräsentant und Vermittler haben Sie die besten Voraussetzungen, dies zu unterstützen.

Wir sind der Überzeugung, dass Sie unser Anliegen mit dem der aktuellen Situation gebotenen Ernst behandeln und freuen uns, von Ihnen zu hören.

Hochachtungsvoll,


In Zusammenarbeit mit dem
                                               Eine Initiative deutscher
Solidaritätscomité Katalonien
                                               BürgerInnen in Katalonien/ Spanien
unterzeichnen:
                                               solidaritaetscomite@gmail.com



Daniel Kahl        Danny Schmidt        Felix Betzenbichler        Stefan Sinn
Sant Boi        Barcelona           Barcelona                Tarragona

Georg Sedlak        Hans-Peter Trauschke    Sebastian Knorr        Bettina Götzenberg
Igualada            Girona                Barcelona             Barcelona

Jakob Finnmathis    Ralf Kreihansl         Julia Haselhoff        Philip Sunkomat
Sant Cugat        Cervelló            Barcelona             Barcelona

Thorsten Klottig    Peter Leopold            Gisela Glauser        Heiko Kraft
Gran Canaria        Badalona            Barcelona            Barcelona

Susanne Engler    Sonja Pfitzner            Thomas Spieker         Maria Haselhoff   
Pineda de Mar        Barcelona            Barcelona            Girona

Annett Schneider Mirjam Vera Salzgeber   Tassja Römhild        Holger Neuhaus
Castelldefels Llagostera Pallejá Pallejá


 --> die katalanische Version des offenen Briefes 

--> Meldung bei naciódigital zum Brief 
--> Meldung bei vilaweb zum Brief 
--> Meldung bei El Nacional zum Brief 

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