Javier Pérez Royo hatte auf ara.cat mehrere Artikel mit der juristischen Betrachtung der Situation in Katalonien um die Amtseinführung des Präsidenten der Generalität veröffentlicht. Wir haben vier dieser Artikel der letzten Tage übersetzt.
Hier ist Teil 4 "Ignorancia inexcusable (2): diluvio de querellas y nulidad" vom 12. März 2018
Unentschuldbare Ignoranz (2): Flut von Anklagen und Nichtigkeit
Roger Torrent und das Parlamentspräsidium müssen zur Verteidigung des Dispositionsbefugnis des Parlaments Llarena verklagen
von Javier Pérez Royo, Professor für Verfassungsrecht an der Universität von SevillaMöglicherweise dachte sich der Richter Pablo Llarena bei seinem Beschluss vom 09.03.2018, dass er halt die Teilnahme von Jordi Sánchez als Kandidat an der vom Präsidenten des Parlaments einberufenen Eröffnungssitzung hinderte. Dennoch war den Umfang seines Beschlusses eigentlich viel größer als das.
Wissentlich oder nicht ist sein Beschluss ein Angriff auf
das Parlament und das Volk von Katalonien, der in dieser Kammer vertreten ist.
Beeinträchtigt ist dadurch nicht nur das subjektive Recht eines Bürgers,
sondern das Recht eines ganzen Volkes. Und zwar das Recht dazu, dass das
Parlament, das die demokratische Legitimität der Ausübung ihres Wahlrechts
erhalten hat, eine solche Legitimität durch die Amtseinsetzung des Präsidenten
der Generalitat (katalanische Regierung) überträgt.
Sobald das Parlament nach der Wahl gebildet wird, soll die
Amtseinsetzung des Präsidenten erfolgen. Wenn keine Amtseinsetzung stattfindet,
dann ist es, als ob die Wahlen nicht stattgefunden hätten. Die Wahlhandlung,
wovon ausschließlich die Bürger Protagonisten sind, muss mit der
Amtseinführung, wovon ausschließlich die gewählten Abgeordneten Protagonisten
sind, abgeschlossen werden. Beide gehören zusammen. Die Verhinderung der erste
bedeutet, die Nichtigkeit der zweite zu erklären. Die parlamentarische
Demokratie erlaubt deshalb keinen Eingriff von außerhalb des Parlaments im
Verfahren der Amtseinführung.
In dieser Ersetzung des allgemeinen Willen durch seinen
Eigenwillen liegt das Verbrechen des Parteiverrats, das Schlimmste, was ein
Richter begehen kann.
Einmal gewählt, dürfen nur gewählte Parlamentarier an allen
Schritten des Amtseinführungsverfahrens teilnehmen. Und zwar deshalb, weil sie
als Gremium Träger des Prinzips der demokratischen Legitimität sind, die die
Bürger ihnen übertragen haben, damit sie wiederum diese Legitimität dem
Präsidenten über die Amtseinführung übertragen, und er somit die Regierung
bilden kann. So wird es in der Verfassung und in der Vorschriften des
Kongresses für den Staat angeordnet. So wird es auch in der Verfassung /
Autonomiestatut und den Vorschriften des Parlaments von Katalonien angeordnet.
Jede Einmischung von außen ist ein Verbrechen des
Parteiverrats, insofern dass es unmöglich ist, einen solchen Eingriff mit
keiner der allgemein anerkannten Regeln der Auslegung in der Welt des Rechts zu
rechtfertigen. Der Richter, der auf diese Weise handelt, ersetzt den
allgemeinen Willen, der durch die Verfassung, das Statut und Vorschriften
ausgedrückt wird, durch seinen Eigenwillen. Dieser Verstoß gegen den Grundsatz
der demokratischen Legitimität in dieser Ersetzung des allgemeinen Willen durch
seinen Eigenwillen stellt das Verbrechen des Parteiverrats dar, das gerade
deshalb das schwerwiegendste ist, das einen Richter begehen kann.
Möglicherweise unwissentlich hat der Richter Pablo Llarena
die Büchse der Pandora geöffnet. Denn es ist nicht nur der Kandidat Jordi
Sánchez, der ihn wegen Parteiverrat verklagen kann, sondern alle Bürger
Kataloniens können das auch.
Selbstverständlich kann und muss der Präsident des
Parlaments zusammen mit dem Präsidium in Verteidigung der Dispositionsbefugnis
der Institution eine Klage einreichen. Genauso wie die Fraktionen, um sich
selber und auch die Bürger, die sie vertreten, zu verteidigen. Und die
Gemeinden und Kreisräte. Und Universitäten und Berufsverbände, und so weiter.
Das Auto von Richter Pablo Llarena öffnet die Tür zu einer Flut von Anklagen,
die den Obergericht überfluten kann. Aus jeder Ecke Kataloniens kann eine
Anklage kommen. Und sie werden alle legitim sein. Denn dieser Richterbeschluss
hat keinem verschont, selbst wenn manche Bürger es nicht so empfinden.
Damit wird der Oberste Gerichtshof als Folge des Beschlusses
vom Untersuchungsrichter konfrontiert.
Aber die rechtlichen Folgen dieses Beschlusses sind dort
noch nicht zu Ende. Mit diesem Beschluss hat Richter Pablo Llarena seine
Befangenheit unter Beweis gestellt und deshalb folgt daraus die Nichtigkeit der
bisher geführten Untersuchungen.
Noch heute können die Anwälte aller vom Obersten Gerichtshof
Untersuchten, egal ob der Ermittlungsrichter Sicherungsmaßnahmen gegen sie
ausgestellt hat oder nicht, Schriften zur Anklage der mangelnden
Unparteilichkeit des Untersuchungsrichters verfassen und dabei die Erklärung der
Nichtigkeit aller bisher geführten Untersuchungen als Folge beantragen. Und
natürlich auch die Aufhebung aller Sicherungsmaßnahmen, die ergriffen worden
wären.
Dies sind die Folgen des riesen Verfassungsunsinns, den der
Beschluss von Richter Pablo Llarena vom 09.03.2018 darstellt.
aus dem Spanischen von Eva
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